Über das Sterben, den Tod und die Trauer

„Der Tod, das Sterben und die Trauer sind die letzten Tabus der Gesellschaft. Dabei gehören sie zum Leben dazu. Irgendwann werden wir alle damit konfrontiert sein. Die Trauer des Sterbenden sowie die Trauer jener, die ihn beweinen, speisen sich aus derselben Quelle: ihrer Erinnerung. Der Toten erinnern wir uns in Bildern. Sie hängen daheim an den Wänden, kleben in Alben, stehen gerahmt auf unserem Tisch. Unser Gedächtnis ist ebenfalls ein Album, in dem wir blättern. Die Momentaufnahmen, die wir speichern, verändern sich mit der Zeit – durch Transienz und Verzerrung. Lebendig bleiben vor allem jene Bilder, die wir mit Emotionen verknüpfen. Wir erinnern uns, indem wir dort nachspuren, wo wir uns im Leben begegnet sind: im gemeinsam bewohnten Haus und auf den Wegen, die wir miteinander beschritten, in den Büchern, die wir gelesen, der Musik, die wir zusammen gehört, den Filmen, die wir gesehen haben. Während ein Mensch stirbt, finden wir Trost in dem Gedanken, dass sein Leben einen Sinn gehabt hat. Selbst ein entbehrungsreiches Dasein, das Krieg, Leid und Hunger gekannt hat, gilt uns als erfüllt, sofern es jenseits aller Entbehrungen auch glückliche Momente darin gab. Familie symbolisiert Glück. Tatsächlich trösten wir uns mit dem Gedanken, dem Sterbenden durch unseren Beistand Trost zu spenden: Wir sind für ihn da.“

(aus dem Essay „Über das Sterben, den Tod und die Trauer“ von Pete Smith, erschienen bei Edition Faust, mit freundlicher Genehmigung des Autors)

„Wer die Menschen sterben lehrt“, sagt Montaigne, „lehrt sie leben.“

Mit dieser Bildstrecke widme ich mich einem emotionalen Thema, das uns alle angeht: dem Verlust eines sehr nahestehenden Menschen. Auf der Suche nach Erinnerungen aus dem Leben mit meiner Großmutter bin ich der Frage nachgegangen, ob es gelingen kann, mit Hilfe der Fotografie Erinnerungen aufzuspüren und diese lebendig zu halten und ob man so darüber hinaus in die Lage versetzt wird, gebührend Abschied nehmen zu können. Dabei habe ich versucht, durch die Gegenüberstellung von Fotografien vertrauter Gegenstande aus der Wohnung meiner Großmutter und den Porträts, die ich im Laufe der Zeit von ihr gemacht habe, ein Bild zu zeichnen, das ihr gerecht werden konnte. Ergänzt wird dieses kleine fotografische Essay mit Portraits der Mitarbeiter des Dreikönigshospizes Neubrandenburg, die meine Großmutter während der letzten Wochen sehr liebevoll umsorgt haben.

Stillleben

Die Stillleben-Fotos habe ich nach dem Tod meiner Großmutter in ihrer Wohnung fotografiert. Später, als ich mir die Bilder genauer angeschaut hatte wurde mir klar, dass diese Accessiores ihre Aufgabe, jemandem nützlich zu sein und gebraucht zu werden, verloren hatten. Ich brachte sie erkennbar in Verbindung zu meiner Großmutter. Auf einmal sind sie zu stillen Zeitzeugen geworden, die noch immer an ihrem dafür vorgesehenen Platz in der Wohnung bereitstanden.

Portraits meiner Großmutter

Manchmal, wenn sich wieder eine Gelegenheit bot und ich ein paar neue Portraits von meiner Großmutter machen wollte, fragte sie mich verschmitzt: „Wozu diese vielen Fotos, hast Du mich nicht schon genug geknipst?“ Ich schaffte es meistens, sie dann doch für einige Fotos zu gewinnen. Hatte sie aber genug vom fotografiert werden, dann zeigte sie das deutlich und ich konnte meine Kamera wieder einpacken. Manchmal scherzte sie zwischen den Aufnahmen immer mal wieder. Sie wirkte sehr freudig und vergnügt. Die Aufmerksamkeit, die ihr zuteil wurde, konnte sie ein bisschen genießen.